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Tagelang sitze ich vor einem leeren „Blatt Papier“, wenn ich überhaupt den Rechner aufmache. 

Gedanken rauschen durch, Wortfetzen, Bilder, gepaart mit Gefühlen, die eher selten beruhigend wirken, im Gegenteil. Ich träume meine Iran Berichte, kann sie aber am Morgen kaum greifen und schon gar nicht zu Papier bringen. Meine Erinnerungen an den Iran.

Zwar könnte eine KI (Künstliche Intelligenz) nicht alles richten, jedoch bestünde durchaus die Chance, dass ich mithilfe der KI einige Dinge in Ordnung bringen könnte. Und so vielleicht auch mein Gehirn. Eine KI, die meine Gedanken speichert und zu einem sinnvollen Etwas zusammen fügt. Dann wüßte ich auch, dass ihr meine Worte versteht und wenn etwas nicht ausreichend erklärt ist, eine KI das erkennen würde.
Aber so etwas gibt es nicht. Also kann ich mir nur wünschen, dass ihr meine „Sprache“ versteht und eine Idee davon bekommt durch welches Schlagloch wir gerumpelt sind.

Fährt man mit dem Fahrrad, versucht man jedes Schlagloch zu umfahren, doch manchmal gelingt das nicht und man poltert mit vollem Tempo durch. Das kann weh tun, nicht nur dem Fahrrad. Der Iran war so ein Schlagloch. Und es sollte ein Großes werden. Auf dem Weg nach Indien! Raus aus Armenien, rein in den Iran. Ich wollte mich dann doch auf das Abenteuer einlassen.

Schlagloch

Der Iran lag einfach nur im Weg auf unserer Reise nach Indien.

Noch in Armenien trafen wir Manuel aus Holland, einen anderen Weltenbummler, unterwegs mit dem Fahrrad. Er war erstaunt, wie klar ich sagen konnte: nun, der Iran liegt einfach nur im Weg, also fahren wir durch. Von „wollen“, Interesse an dem Land oder Vorfreude konnte keine Rede sein. Aber auch er gestand, dass dieses Land für uns Reisende wohl nur funktioniert, wenn wir das Regime und dessen Anhänger im Land ausblenden. Ja, bestimmt sind die Menschen dort nett. Aber ich fühlte mich nicht danach das verkorkste Regime und die Menschen, die dahinter stehen, zu ignorieren. Ohne deren vielen Anhänger würden sie schon längst nicht mehr funktionieren.

Zwei Tage zuvor hatte man im Iran zwei lesbische Aktivistinnen verhaftet.

Nein, ich hatte kein gutes Gefühl beim Iran und da konnte auch die viel gerühmte Gastfreundschaft nicht dazu beitragen, dass ich meine Meinung wirklich ändern wollte. Aber ich hatte beschlossen, mich darauf einzulassen. Es mußte doch etwas geben, dass mich begeistern würde. Ich wollte es unbedingt finden. Mit entsprechender „Ver“-Kleidung gingen wir über die Grenze und waren jetzt also im Iran.

Unsere erste Nacht: ein alter Zausel wollte uns nicht am Rand seines Grundstücks. Das machte er sehr deutlich klar und so bauten wir das Zelt wieder ab und woanders auf. Die 2. Nacht. Wieder fragten wir einen älteren Herrn, ob wir auf seinem Grundstück das Zelt aufbauen dürften. Wir hatten Probleme, wie auch in der Nacht davor, Plätze zu finden, die uns vor dem starken Sturm schützen würden.

Er schickte uns auch weg, immerhin mit dem Hinweis: da vorne in der Wüste, da könnt ihr stehen. Auch er schickte uns also in die Wüste.

Am kommenden Tag die Hitze mal wieder unfassbar. Wir suchen in einem Ort einen kleinen Park auf. Mit dem Fahrrad gibt es dort keinen Eingang. Ein Bewohner bringt uns zum Haupteingang, aber auch er kann nicht bewirken, dass der „Aufseher“ uns die Schranke öffnet. Also bleiben wir auf der Mauer am Rand des Parks sitzen und warten die Hitze ab.

Es geht weiter und wir erreichen Tabriz und damit eine kleine Oase, ein Hostel, in dem ich ohne Verkleidung sein darf. Die erste Demonstration beginnt.

Einige „Schlaglöcher“ haben wir durchfahren und die Verletzungen waren noch oberflächlich.

Natürlich gab es auch diese wunderbaren Menschen, die uns bei all unseren Schwierigkeiten und Fragen halfen.

Nicht ohne mein Fahrrad! Nicht ohne meine Kamera!

Wer mich kennt weiß: Nicht ohne mein Fahrrad! Nicht ohne meine Kamera!

Natürlich kann man ein Land bereisen ohne Fotos zu machen. Aber das ist doch völlig sinnlos. 🙂 Abgesehen davon, dass ich mich nicht alleine auf die Straße traute. Ich verstehe, dass die armen alten Männer in diesem Land völlig überfordert sind wenn sie eine Frau sehen. Es gibt ja sonst keine oder sie ist sonst nicht als solche zu erkennen. 

Ich zog mit Klaus los, immer mit diesem merkwürdigen Gefühl, mit der viel zu warmen Kleidung, dem permanent im Weg hängenden und rutschenden Tuch auf meinem Kopf und machte Fotos. 

Wenn ich mich an die Stunden zurück erinnere, ich könnte kotzen. Es gab keine Chance, ich mußte durch jedes Schlagloch hindurch. Und es wurden mehr und mehr.

Schlagloch Dichte nimmt zu!

Wir wollen mit dem Zug weiter. Also fahren wir zum Bahnhof, versuchen ein Ticket zu bekommen. Klappt nicht. Unser Gastgeber versucht es 2 Tage später erneut. Klappt auch nicht (warum, bleibt unklar). Bustickets gibt es auch keine. Mehrere Reisende sitzen gerade in Tabriz fest. Die Demonstrationen werden lauter. Die einzige Lösung schnell nach Teheran zu kommen scheint die zu sein, zu trampen. Das klappt. Ein LKW Fahrer nimmt uns mit und 12h später sind wir in Teheran. Dort holt uns Saeid ab, ein Fahrradkollege und wir verbringen die ersten Tage bei ihm. 

Teheran: Die Demonstrationen werden lauter! Ein riesiges Schlagloch tut sich auf!

Wir spüren das erste mal Tränengas. Vor Saeids Wohnung auf den Straßen sind Unruhen in Gang. Es wird geschossen.

Wir wechseln in eine andere Unterkunft. Wenn wir morgens die Wohnung verlassen ist nichts von den Unruhen in der Nacht zu spüren. Immer deutlicher wird uns gesagt dass wir auf keinen Fall fotografieren sollen, dass wir am Abend besser in der Unterkunft bleiben. Es sind nur Empfehlungen, aber du kannst die Unruhe, die Unsicherheit spüren.

Wir sind beschäftigt mit den Visaanträgen für Indien und Pakistan, der Verlängerung der Iran Visa und radeln dafür quer durch die Stadt. Immer wieder liegen Autobahnen im Weg, der Verkehr katastrophal und Fahrräder kein übliches Verkehrsmittel. Es ist anstrengend. Ich bin nach jeder Tour völlig erschlagen und froh: wir haben mal wieder überlebt.

 Dieses kleine Stück Freiheit wollen wir uns aber nicht nehmen lassen. Ich bekomme etwas mehr als Klaus zu spüren wie unerwünscht ich bin. Ich bin eine Frau und fahre Fahrrad. Neben der Kleiderordnung, dem Verbot für Frauen in der Öffentlichkeit  zu singen und zu tanzen ist ihnen auch Fahrradfahren verboten.

Skateboard, noch gibt es kein offizielles Verbot für Frauen.

Das Schlagloch Iran entwickelt sich zu einem Krater!

Noch glaube ich daran, dass alles wieder gut wird. Aber das wird es nicht. Es wird schlimmer. In manchen Läden werde ich einfach nicht bedient. Keine Chance. Mehr und mehr ziehe ich mich zurück. Werde immer kleiner, schaue niemanden mehr an, die Kamera bleibt in der Tasche. Einzig das Fortbewegen auf dem Fahrrad weckt die Lebensgeister und meinen Kämpfergeist. Ihr könnt mich mal. Ich fluche so laut vor mich hin, das tut gut. Klaus wundert sich darüber was für Schimpfwörter ich kenne. Irgendwohin muss ich mit all dem Zorn.

Schließlich zeigen sich ein paar Sonnenstrahlen, ein echtes Lächeln in diesem finsteren Land. Wir besuchen einige der Kaffees, in denen sich Männer und Frauen treffen dürfen, sich in die Augen schauen, sich vorsichtig berühren dürfen.

Wenn bestimmte Männer diese Orte betreten, spüre ich trotzdem sofort die Verunsicherung. Kopftücher werden wieder hoch gezogen oder zurecht gerückt.

Es ist eine befristete Freiheit.

Und trotzdem, wir verbringen viel Zeit an diesen Orten. Und hören zu, wie es ihnen mit all dem geht. Vor allem ist es Traurigkeit die in ihren Worten liegt. Aber eine Traurigkeit, die nicht lähmt, sondern mobilisiert, Kraft gibt, wütend macht und ihnen den Mut gibt, den sie brauchen um auf den Straßen zu demonstrieren.

Tod dem Diktator!

Jeden Abend um 21 Uhr stimmen sie über den Dächern von Teheran in einen „Gesang“ durch die ganze Stadt ein: Tod dem Diktator!, bevor sie auf die Straße gehen und ihr Leben riskieren.  Und wir mittendrin! Auch für uns scheint es immer gefährlicher zu werden. Die Willkür nimmt zu! Noch denken wir, dass wir über die Grenze nach Pakistan das Land verlassen und wieder versuchen wir uns an Fahrkarten für Zug oder Bus. Vergeblich.

Wir haben den Punkt verpasst an dem Reisen mit dem Fahrrad für Touristen noch zu rechtfertigen ist. Seit die Demonstrationen begonnen haben, hat sich die Stimmung gegen Ausländer deutlich zum Negativen gewendet. Wir helfen den jungen Männern und Frauen, die für Freiheit kämpfen nicht damit, durch das Land zu reisen. Im Gegenteil. Wir sind Agitatoren für die Regierung. Sie beschuldigen die Ausländer der Aufwiegelei. Wir Radfahrer sind nicht mehr die kleinen harmlosen Touristen. Wir sind die perfekten Opfer für ihre Anschuldigungen und Verhaftungen. Und das passiert auch.

Mein Egoismus sagt: pah, mir doch egal, ich hab das Recht hier zu sein und mit dem Fahrrad zu fahren.
Aber natürlich habe ich das nicht. Wenn wir den Kampf unterstützen wollen, dann sollten wir nicht mehr für unser eigenes Vergnügen durch dieses Land fahren.

Wir haben uns mit diesen Gedanken an die Deutsche Botschaft gewandt. Wir hätten direkt ausreisen können, aber unsere Reisepässe lagen noch bei der indischen Botschaft. Eine Mitarbeiterin hat uns dann für ein paar Tage bei sich aufgenommen und sich gekümmert, dass wir unsere Pässe schnell zurück bekamen.
Unsere vorherige Unterkunft haben wir verlassen, da es auch für unseren Gastgeber Nima zu gefährlich wurde, Touristen zu beherbergen.

Wir haben die Flugtickets, wir haben unsere Pässe, Saeid bringt Kartons vorbei und hilft uns die Räder zu verpacken. Wir verlassen das Schlagloch Iran. 

Wir verlassen nach 6 Wochen den Käfig Iran. Es tut weh. Was bleibt?

Ein Käfig geschaffen aus Bildungsferne, pseudoreligiösen archaischen Riten und Gebräuchen sowie anerzogener und brutal durchgesetzter Unterdrückung. 

Religion gegen Freiheit! Unterdrückung gegen Mut! Dunkelheit gegen Licht.

Ihr Mullah-Deppen, ihr alten Greise, ihr Narren und Angsthasen, ihr werdet verlieren. So oder so. Die Geschichte wird euch vom Thron werfen und ihr werdet nichts mehr sein.
Und eure Kinder, die ihr im Ausland ausbilden lasst, die dort alle westlichen Freiheiten genießen, glaubt ihr sie werden je zurück kommen und hinter euch stehen?

In der Erinnerung werdet ihr lediglich ein Schlagloch sein, welches es galt zu zuschütten.

Freiheitsdenkmal Teheran Schlagloch
Freiheitsturm (Azadi-Turm) Teheran

Die berühmte Gastfreundschaft der Iraner!

Wie passt aber nun diese berühmte, aufopferungsvolle Gastfreundschaft in das Bild? Die, über die jeder spricht und man sie als Reisender nicht hoch genug loben kann und auch nur zu gerne darüber berichtet, wenn man sie auch erfahren hat. Wir Reisende scheinen süchtig danach zu sein und sprechen deshalb eher ungerne über die andere Seite.

Vielleicht ist auch einfach das Wort „Gastfreundschaft“ ein Falsches in diesen Zusammenhängen. 

Der Iran ist ein durch und durch repressives Land, das seine Verschlossenheit erst auf den zweiten Blick zeigt. Gastfreundschaft, ein Versuch dies zu überwinden?

P.s.: Katzenbilder kommen immer gut im Netz 🙂 Auch wenn letzteres täglich am Nachmittag abgeschaltet wird und zu den anderen Zeiten auch ohne VPN so gut wie nichts funktioniert, Perser, und auch Perser Katzen, lassen sich nicht helfen. Sie wollen ihren eigenen Weg gehen gegen das Regime. Da kann auch Klaus nicht helfen 🙂

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