Die 3 von der Tankstelle und ehemalige Berliner Brauereien

 

Was haben die 3, hoppla, die 4 von der Tankstelle denn nun mit Brauereien zu tun?

Also genau DIESE hier tatsächlich gar nichts, aber ich fand sie so hübsch:-)
Die 20 Zapfsäulen, die im Hof der ehemaligen Königstättischen Brauerei standen, die gibt es nicht mehr.

Ich fang aber besser mal von vorne an:
Ich dachte immer Bayern wäre der einzige wahre „Vorreiter“ in Sachen Bier. Falsch, zumindest was die Mengen der Herstellung anging, denn das war Berlin. 1914 gab es in Berlin 110 Brauereien und die weltweit größte war von 1920 -1940 die Schultheiß Brauerei. Ursprünglich von einem Apotheker gegründet, nach 10 Jahren an Schultheiß verkauft und nach Etablierung der Marke dann an den Sohn eines reichen Tuchmachers veräußert, an Adolf Roesicke, der zwar keine Ahnung von Bier hatte, aber von Marktwirtschaft.


Die ersten Brauereien gab es um den Alexanderplatz, als sich aber die Brauart änderte um 1830, wich man auf den Barnim im Nordosten und den Teltow im Süden aus. Man brauchte jetzt Keller um das Bier für die Gärung zu kühlen und hier auf den kleinen Hügeln neben dem Urstromtal der Spree, fand man entsprechende Möglichkeiten. Bislang gab es hier nur Ackerflächen und jede Menge Windmühlen (Windmühlenberg). Jetzt konnte man also das ganze Jahr Bier ausschenken. Das Bier der früheren Brauart (obergärig) hatte man nicht lange lagern können und so verlor man in den Jahren davor im Sommer oft die Kunden an die Schnapshersteller. Zurück auf das Bier kam man eher selten.
Man holte bayerische Bierbrauer aus dem Süden. Sie wußten wie das funktionierte mit dem Brauen, wie die Keller gebaut werden mußten, wie man ein schmackhaftes, lagerfähiges Bier herstellte.

DSC_9635Ein riesiger Eisblock, im Winter in Stücken geerntet und hier gestapelt, kühlte den Raum. Dazu wurde eine dicke Decke mit einer dünnen Decke verblendet. Eine Art Thermokonstruktion, wie in einer Thermosflasche.

 

 

 

Aussenherum wurde eine Tonwanne gebaut, die das Eindringen von Feuchtigkeit verhinderte. Leider wurden bei späteren Veränderungen, nach den Nutzungen als Brauereien, die Tonwannen verletzt oder gar entfernt, weil die heutigen Bauherren nicht mehr wußten wozu das gut ist. So dringt heute überall langsam immer mehr Wasser ein.

Die Keller der Bötzow-Brauerei können aus diesem Grund seit einigen Wochen nicht mehr besichtigt werden.

Bötzow Brauerei

Während des 2. Weltkriegs war das ein Luftschutzkeller für die Bevölkerung. 1949 wurde dann der Brauereibetrieb wegen zu wenig Getreide eingestellt. Danach verwendete man die Räume als Lager. Im Winter, vor Weihnachten wurden hier die Karpfen aus den Karpfenteichen in der Uckermark gehalten. Die Teiche dort froren regelmäßig zu und dann hätte man an Weihnachten keine Karpfen gehabt. Nach der Wende wurden die Räume zu Partyzwecken verwendet und heute ist es in privater Hand und soll sorgsam saniert werden. Die Firma Otto Bock hat das Anwesen gekauft.Es soll eine Forschungsabteilung von Otto Bock = Future Lab entstehen, Behandlungspraxen, gläserne Werkstätten, eine Hotelkette: 30-40% davon für Behandlung, im Keller soll ein SPA Bereich eingerichtet werden, eine kleine Bierbrauerei mit selbstgebrauten Bier und Biergarten wird sich hier einrichten und eine Schwimmhalle und Kunsthalle soll es geben.

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Pfefferberg Brauerei

Der Gründer hieß tatsächlich Pfeffer, Joseph Pfeffer und war ein Bayrischer Braumeister. 1841 gegründet mußte sie 1913 ihre Expansion aufgeben, da mittlerweile Wohnraum um das Gelände entstanden war. Nach dem 1. Weltkrieg kaufte die Schultheiß Brauerei die Pfefferberg Brauerei, gab aber die Bier-Produktion an diesem Standort schon bald auf.
Das Neue an dieser Brauerei waren die Arkaden mit den Ladengeschäften vor dem Garten für den Bierausschank. Hier konnten die Berliner flanieren und einkaufen, bevor es zu dem wohlverdienten Bier im dahinter liegenden Biergarten ging. Diese Arkaden sind heute wieder in Nutzung. U.a. gibt es auch hier wieder eine kleine Brauerei, die vor Ort das Pfefferbräu herstellt. Übrigens gibt es derzeit in Berlin etwa 120 Mikrobrauereien.

1949 wurde der Eigentümer enteignet, nach der Wende gehörte das Gelände nun dem Land Berlin und der Bundesrepublik Deutschland. Eine Initiative von Anwohnern versuchte das Grundstück und die Gebäude für soziale- und kulturelle Zwecke zu nutzen. Mit mehreren Hürden, unermüdlichem Einsatz und vielen Umwegen  haben sie genau das geschafft, wenn auch nicht auf dem gesamten Gelände: Pfefferwerk. Weitere Einrichtungen sind Theater, das Pfefferberg Hostel, jede Menge Künstler Ateliers sowie das Guggenheim-Lab seit Juli 2012, nachdem es in Kreuzberg für einen dortigen Standort abgelehnt wurde (Cuvry Brache), ein „Forschungslabor“, in dem in verschiedenen Großstädten weltweit Fragen des modernen städtischen Lebens diskutiert werden,

Schultheiß Brauerei, heute Kulturbrauerei

Während des Krieges wurden hier von ca. 50 Zwangsarbeitern durch Telefunken Funkanlagen gefertigt. Ein weiterer Teil wurde zu einem Luftschutzkeller ausgebaut mit Betten und der in fast allen Bunkeranlagen noch zu findenden Luftschutzfarbe. Die war und ist! fluoreszierend. Wenn also das Licht ausfällt findet man sich noch eine Weile zu Recht in den Räumen. Obwohl die Waffen am 2. Mai in Berlin nieder gelegt worden waren, kämpfte man hier noch bis zum 4. Mai. Generäle hatten sich hier verschanzt und ermordeten mind. 12 Personen, die kapitulieren wollten, im Hof der Brauerei. Vermutlich erhofften die hochrangigen Offiziere sich hier noch eine Fluchtmöglichkeit aus Berlin. Der Architekt der Gebäude mit den roten Ziegeln war übrigens Franz Schwächten, der Erbauer der Wilhelm-Gedächtnis Kirche und des Anhalter Bahnhofs. Letztere war wahrscheinlich Vorlage für die Architektur. Der damlige Bestizer war, wie bereits erwähnt, kein Brauereimeister, aber ein Wirtschaftsgenie. Seine Kontakte und Vernetzungen in die hohen Kreise waren großartig und so sollte hier eine Vorzeige- und Prestigeobjekt entstehen. Auch die Beschriftungen an den Gebäuden, in welchem was hergestellt wurde, stammen aus dieser Zeit.
Noch bis 1962 wurde hier Bier gebraut. Schon die DDR wollte aus den Gebäuden ein Kulturzentrum machen. Dann kam die Wende. Die Treuhand sanierte die Gebäude für 100 Millionen DM. Die sich ansiedelnden Gewerbe und Künstler sollten sich in ihren Strukturen unterstützen. So konnten auch kaum profitable Unternehmen, wie ein deutsch-russisches Theater oder auch ein behinderten Theater in die Räume einziehen. Getragen wurde das dann irgendwie 🙂 durch die Geldmaschinen: wie z.B. das Kino oder den REWE-Markt. Nun hat der Bund seine Immobilientochter TLG Ende 2012 an den amerikanische Investor Lohne Star verkauft  und damit neben dem Prinzessinnenpalais Unter den Linden in Mitte, das Haus der Elektroindustrie und das Kino Cubix am Alexanderplatz, die „Welle“ mit zwei Hotels, das Haus der Stasi-Unterlagenbehörde an der Karl-Liebknecht-Straße und eben auch die Kulturbrauerei. Das dürfte mittelfristig sehr wahrscheinlich das „aus“ für die kleinen Gewerbe und Künstler bedeuten.

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Königstadt Brauerei

Eigentlich nicht in der Königstadt, sondern in der Rosenthaler Vorstadt gelegen (aber der Name ist einfach imperialer), ist die Königstadt der einzige Gebäudekomplex, der es zu schaffen scheint für die kleinen Gewerbeansiedlungen erhalten zu bleiben, ohne gleichzeitig durch Edelsanierung teuren Wohnraum zu schaffen und damit für Verdrängung zu sorgen. Eine Genossenschaft leitet den Gebäudekomplex. Ca. 40 Firmen haben sich hier angesiedelt mit ca. 400 Mitarbeitern. U.a. hat die Filmproduktion von Wim Wenders (Himmel über Berlin) hier ihren Sitz.
Die ehemaligen Lagerkeller sind zu einem Parkhaus umfunktioniert. Eine andere Art der Nutzung blieb bislang erfolglos.

Am Ende des 19. Jahrhunderts gehörte die Brauerei Königstadt zu den führenden Brauereien der Hauptstadt. Von 1851 bis 1921 verließen Hunderttausende von Hektolitern untergärigen »bairischen« Bieres den Hof des Brauhauses an der Schönhauser Allee. Nach der Aufgabe der Produktion wurden die Gebäude und die Kelleranlagen als Gewerbestandort genutzt – für den Kraftfahrzeugbau und als Premierenkino in den 1920er Jahren, als Waffenschmiede der Telefunken AG während des Zweiten Weltkriegs, für den VEB Reform Möbelproduktion, das SED-Zentralorgan Neues Deutschland und eine Champignonzucht zu DDR-Zeiten. 2003 gelang es den ansässigen Gewerbetreibenden, den Produktionsbereich der ehemaligen Brauerei als Genossenschaft zu erwerben, um den Standort zu sichern und nach eigenen Vorstellungen zu gestalten.
Und jetzt endlich kommen auch „Die 3 von der Tankstelle“ zum Zug. Denn als es hier Kraftfahrzeugbau und Werkstätten gab, hatte jede ihre eigene Tankstelle und das waren mindesten 20 Stück! Zum Glück hat man damals die Tanks in den Keller gelegt, so dass kein Verschmutzung des Bodens statt fand und die Genossenschaft ihr Projekt wegen Altlasten hätte aufgeben müssen.

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Also wer jetzt bis hier her gekommen ist. Gratuliere! Das war mal ein langer Text!